Über mich
Vielleicht war eine Lehrerin in der dritten Primarklasse, Frau Büttner hiess sie, im Schulhaus Wiltiswacht in Küsnacht, entscheidend für meinen späteren Weg im Leben, wenigstens beruflich. Besorgt hatte sie damals meiner Mutter bei einem Elternabend gesagt: «Ihre Bueb isch so schlecht im Dütsch.» Ich bekam es am Mittagstisch zu hören, meine Mutter war auch besorgt.
Und sie sagte mir dann: «Fredy, du muesch meh lese.»
Und ich begann zu lesen, ich lese bis heute viel, fast alles, immer, wenn ich irgendwo Buchstaben finde, inzwischen vielleicht etwas selektiver. Der Schriftsteller Peter Bichsel sagte einmal, Schreiben sei eine Buchstabensucht.
Und damit auch Lesen.
Frau Büttner, sie war eine strenge Lehrerin, war für mich also ein Glücksfall, ich bin ihr längst nicht mehr böse. Aber damals tat es schon weh, was sie meiner Mutter geklagt hatte.
Aber sie hatte recht: Durch Lesen lernt man Schreiben.
Begegnungen mit Trainern und Managern: Jürgen Klinsmann, Hennes Weisweiler, Uli Hoeness, Daniel Jeandupeux, Christian Gross
Ist es Zufall, Schicksal? Oder einfach Glück? Der griechische Philosoph Aristoteles sagte, der Zufall komme von «ausserhalb» und sei eine Fügung. Seine Worte lassen sich auch so interpretieren, schrieb einmal jemand: Der Zufall – ob gewollt oder nicht — vermag eine Reihe von aufeinanderfolgenden Ereignissen in Gang zu setzen, die dann schliesslich in der Rückschau als absichtsvoll wahrgenommen werden.
Zufall?
An einem Samstagmorgen, ich war knapp zwanzig und musste bald in die Rekrutenschule (17 Wochen zum Vergessen, es war grau und kalt, daran erinnere ich mich noch, traf ich auf der Dorfstrasse in Küsnacht einen Mitschüler aus der Primarklasse. «Du schreibst doch manchmal über eigene Handballspiele in der Zürichsee-Zeitung, möchtest du nicht mal die Redaktion kennenlernen?», sagte er; sein Vater war Verlagsleiter, sein Onkel Chefredaktor bei der Zeitung in Stäfa.
Ich wollte. Weil ich nicht wusste, was ich sonst hätte machen wollen, damals, eine Ausbildung zum Sportlehrer in Magglingen ein vager Gedanke.
Ich ging – und blieb, auch nach diesen 17 Wochen zum Vergessen. Ich hatte Freude, und sie hatten offenbar Freude an mir, ich konnte über alles schreiben, über das letzte Barrierenwärterhäuschen am Zürichsee, die Knie-Premiere in Rapperswil, die Ortsplanung in Küsnacht, Reinhard Mey auf einer kleinen Bühne oder Mani Matter, Nana Mouskouri im Schauspielhaus, den Clown Dimitri, einmal auch Charlie Rivel, ein Sonntag auf der Ufenau, Sport natürlich, FC Küsnacht und Nationalmannschaft, den letzten Schuhmacher auf dem Zollikerberg, der auch noch «den kaputtesten Schlarpen» flickte, Konzerte.(Ich habe die Artikel noch alle im Keller in einer Schublade).
Eines Tages kam ein Anruf von einem Redaktor des Tages-Anzeigers, ob ich nicht an die Werdstrasse kommen, aber nur noch über Sport schreiben möchte.
Ich wollte nicht.
Ein Jahr später rief er wieder an, jetzt müsse ich, sonst könne ich nie mehr zum Tagi.
Das machte Eindruck. Vom Chefredaktor der Zürichsee-Zeitung verabschiedete ich mich in seinem Büro mit dem wunderbaren Blick auf den Zürichsee mit den Worten, ich käme wieder, gehe nur ein Jahr in die Ausbildung.
Ich kam nie mehr zurück.
Blieb beim Tages-Anzeiger, von April 1976 bis August 2014, wurde Sportchef, durfte bei der Gründung der SonntagsZeitung dabei sein, war zwischendurch in der Tagi-Chefredaktion, hatte das Glück, die vielleicht schönste Zeit des Printjournalismus zu erleben, in einer Zeit, als es nur gedruckte Zeitungen gab, die Verleger an diese glaubten und viel Geld verdienten und wir immer wieder ausbauen konnten, auch personell. Alles war möglich. Weil, nur ein Beispiel, Thomas Bickel zu Kobe wechselte, reiste ich für eine Reportage fünf Tage nach Japan, undenkbar heute.
Ich durfte an zehn Fussball-Weltmeisterschaften dabei sein, in Buenos Aires, Mexico-Stadt, Tokio, Los Angeles, Berlin, Madrid, Paris, Rom, Rio, an vielen Orten; bei einigen Olympischen Spielen, Barcelona 1992 waren die schönsten, Sarajevo ist besonders in Erinnerung, von Seoul bleibt der Besuch in Panmunjeom im Kopf, dem Ort durch den die Grenze zwischen Nord- und Südkorea verläuft, mit der Brücke ohne Wiederkehr; ich konnte viele Leute treffen und interviewen.
Diego Maradona leider nicht, ich fuhr einmal, 1990 war es, bei der Weltmeisterschaft, mit ihm in einem Hotel in Mailand im Lift nach oben, vom ersten in den fünften Stock, war aber so baff, dass ich kein Wort heraus brachte, was nicht nur am fehlenden Spanisch lag. Ich glaube, «Adios, buenas noches» sagte ich noch, wenigstens das. Hat er gelächelt?
Und heute: Vielleicht ist es ein Zurück, wie manchmal im Leben. Ich schreibe wieder, wie damals bei der Zürichsee-Zeitung, über alles. Worauf ich Lust habe. Was in den Kopf kommt. Wann ich etwas erlebe. Niemand sagt, das wäre ein Thema. Kein Anlass, worüber ich schreiben muss.
Ich schreibe dann, wenn ich will. Und schreiben macht Spass. Deshalb will ich oft.
Mein Blog gibt mir die Möglichkeit (Siehe: «Mein Blog»}
Sportlich unterwegs, meistens talentfrei.